Chiemsee Reggae Summer –                  

Mehr als nur Kiffen und Kommerz?

 

 

Grasende Kühe auf satten Wiesen, Alpenpanorama, Blick über den Chiemsee – im kleinen Ort Übersee südlich des Chiemsees herrscht die pure Idylle, mit Ausnahme der drei Tage im August, die dort jährlich eine Art Ausnahmezustand hervorrufen. Die Rede ist vom Chiemsee Reggae Summer, dem wohl bedeutendsten Reggae-Festivals in ganz Europa.

 

Im restlichen Jahr hingegen ist der Chiemgau - das Herzstück Bayerns - vor allem ein beliebter Tourismusort. Mit seinen vielzähligen Rad- und Wanderrouten, sowohl in der Ebene entlang des Chiemsees, als auch in den naheliegenden bayerischen Alpen, und seinem großen Sightseeing-Angebot bietet der Chiemgau allerhand Freizeitgestaltungsmöglichkeiten.

So kann der interessierte Besucher unter anderem Attraktionen wie das Schloss Herrenchiemsee des bayerischen Königs Ludwig II. oder umliegende mittelalterliche Städte, wie beispielsweise Wasserburg am Inn, besuchen oder in zahllosen Museen und Kirchen sein kulturelles Interesse befriedigen.

 

In dieser Gegend also öffneten sich erstmals am Samstag den 8. Juli 1995 für tausende Reggae-Fans und Positive-Vibrations-Hungrige die Türen zu dem zu diesem Zeitpunkt noch eintägigen Festival. Aufgrund der hohen Besucherzahlen im darauf folgenden Jahr, wurde diese Open-Air-Veranstaltung um einen Tag erweitert. Der Reggae Summer fand nun jedes Jahr zunächst im Juli statt, im Jahr 2001 wurde der Zeitpunkt des Geschehens auf Ende August verlegt und das Festival auf drei Tage verlängert. Es kann nun jährlich eine Zahl von ca. 25.000 Besuchern aufweisen – in einer Stadt, die eigentlich nur knapp 5000 Einwohner zählt.

In den Tagen vor dem Festivalbeginn reisen unzählige Reggae-Fans hauptsächlich mit dem Zug (Fahrt ist im Festival-Ticket inbegriffen) nach Übersee, von wo aus sie mit eigens dafür eingesetzten Shuttle-Bussen zum Festivalgelände gefahren werden. Dort können die Besucher auf dem für 15.000 Personen ausgelegten Campingplatz quartieren, für mit dem Auto anreisenden Fans existiert ein für 13.000 PKW ausgelegter Parkplatz. Das Gelände selbst befindet sich, seit der Verlegung des Festivals, auf einer großen Wiese des ansässigen Landwirtes Rudi Steiner im Überseer Stadtteil Almau. Dies hat den Nachteil, dass die Festivalbesucher bei (nahezu überdurchschnittlich oft auftretendem Regenwetter) auf dem bis 2009 unbefestigten Gelände regelrecht im Schlamm versanken.

 

 

Die jährlich wechselnden geladenen Musiker, meist um die 300, auf bis zu 40 Bands verteilt, spielen auf der Freiluft-Hauptbühne, der seit 1999 bestehenden Zeltbühne und im Coke- DJ- Zelt, das 2006 erstmals in Betrieb genommen wurde.

Zudem besteht für ca. 300 Reggae-Fans die Möglichkeit, bereits zu Festivalbeginn am so genannten Chiemsee Reggae Cruise teilzunehmen. Bei dieser Tour der besonderen Art legt das Schiff am Bootssteg Felden ab und schippert die seetauglichen Fans vier Stunden über den Chiemsee. Für die richtige Stimmung an Bord sorgten bislang Bands wie die Ohrbooten aus Berlin oder Jamaram aus München.

 

 

Wie es auch bei anderen Festivals üblich ist, erhalten die Besucher zu Beginn des Reggae Summer Müll-Pfandmarken, für die ihnen bei der Abgabe eines gefüllten Müllsacks bei der Abreise je fünf Euro erstattet werden. Das nicht eingelöste Pfand jedoch wird von den Veranstaltern des Chiemsee Reggae Summer an verschiedene Hilfsprojekte gespendet. Derzeit werden vier solcher Projekte unterstützt, so „Tobabico e.V.“, eine Organisation für Straßenkinder im Kongo, „YES“ (Youth Enhancement Service), ein Projekt für bedürftige jamaikanische Jugendliche und Erwachsene, „Menschen für Menschen“, das äthiopische Flüchtlinge unterstützt, und die weltweite christliche Entwicklungshilfe-Organisation „World Vision“.

 

 

 

 

 

 

 

Doch damit so ein Festival zustande kommt bedarf es natürlich bekannter Musiker und Bands.

Wenn man die Programme der letzten 15 Jahre betrachtet, so lässt sich feststellen, dass einige Künstler des Öfteren bereits beim Reggae Summer gespielt haben, so Shaggy, Jamaram, Culcha Candela, Hans Söllner, Patrice, Burning Speer, Alpha Blondy und Jimmy Cliff – allesamt bekannte Namen in der Reggae-Szene. Während in den Anfangsjahren vor allem „Reggae-Urgesteine“, wie The Wailers, Third World, Alpha Blondy und Burning Spear zu hören waren, so kamen über die Jahre immer mehr neue und regionale Bands dazu, die teilweise nicht mehr nur auf Reggae spezialisiert sind.

Eine solche regionale Band ist beispielsweise die Brass Band LaBrassBanda direkt aus dem Chiemgau, die 2009 zum ersten Mal auf dem Reggae-Festival gespielt haben. Diese „Men in Blech“, mit ihren bayerischen Texten, sind junge Brass- und Reggae-Musiker aus großstädtischem Kontext ... und im Hintergrund kann man die Alpen sehen.

 

 

Verfasser: Elisabeth Ziegelmeier, Katharina Ruf

Bilder: Katharina Ruf